Intern
Fakultät für Humanwissenschaften

Das Selbstverständnis als Bürger und Steuerzahler

15.01.2021

Welche Einstellung haben die Bürgerinnen und Bürger zum Staat? Wie beeinflusst das ihre Bereitschaft, Steuern zu zahlen? Diesen Fragen geht ein Forschungsteam nach, das mit 1,5 Millionen Euro gefördert wird.

Welche Einstellungen zum Staat und zur Steuerkultur gibt es in migrantischen Gesellschaften? Das wird in einem neuen Projekt erforscht.
Welche Einstellungen zum Staat und zur Steuerkultur gibt es in migrantischen Gesellschaften? Das wird in einem neuen Projekt erforscht. (Bild: DMEPhotography / iStockFoto.com)

Wie Steuern zu bewerten sind, wird kontrovers diskutiert. Die eine Seite betrachtet Steuerzahlungen als unverzichtbaren Solidarbeitrag und als Preis für das reibungslose Funktionieren des Sozialstaates. Steuergeld nährt das Bildungssystem, von Kitas bis hin zu Universitäten. Es fließt in die soziale Sicherung, die Verkehrsinfrastruktur und viele andere Bereiche, von denen die ganze Gesellschaft profitiert.

Andere Stimmen vertreten eine ganz andere Sichtweise. Sie sehen den Staat als Bedrohung ihrer persönlichen Freiheit oder sogar als Parasiten, der mit dem Steuergeld der kleinen Leute viel Unsinniges finanziert und den Konzernen und Reichen nur lächerlich wenig Steuern abverlangt. Wo immer möglich sind sie darauf bedacht, dem Staat keinen Cent an Steuern zukommen zu lassen.

Zugegeben: Hier sind zwei extreme Einstellungen beschrieben, die es in ihrer Reinform vermutlich gar nicht gibt. Aber wie ist es tatsächlich um das Selbstverständnis der Menschen als Staatsbürger und Steuerzahler bestellt?

Drei Geldgeber fördern das Projekt

Das will ein interdisziplinäres Forschungsteam im Projekt „Fiscal Citizenship in Migrant Societies: An International Cross-Country Comparison“ herausfinden. Die Studie betrachtet beispielhaft Deutschland, Großbritannien und Kanada. Sie startet am 1. März 2021, läuft drei Jahre und wird mit 1,5 Millionen Euro (Steuergeld) gefördert. Geldgeber sind die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), der kanadische Social Sciences and Humanities Research Council (SSHRC) und der britische Economic and Social Research Council (ESRC).

Von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) sind die Teams der Professoren Dirk Kiesewetter (BWL, Steuerlehre), Hans-Joachim Lauth (Politikwissenschaft) und Ralf Schenke (Jura) beteiligt. Mit dem Fördergeld kann unter anderem an jeder Professur eine Promotionsstelle finanziert werden. Dirk Kiesewetter leitet das Projekt in einem Dreierteam mit Professor Lynne Oats von der Universität Exeter und Dr. Kim-Lee Tuxhorn von der Universität Calgary.

Migration und Fiscal Citizenship

Im Projekt soll es darum gehen, die drei Länder miteinander zu vergleichen und einen möglichen Einfluss von Migrationsbewegungen auf die Fiscal Citizenship zu beschreiben, also auf das Selbstverständnis als Staatsbürger und Steuerzahler.

Jedes Land hat seine ganz eigene Steuerkultur. Einwanderer bringen ihre Moralvorstellungen, ihre Lebenserfahrung und tradiertes Selbstverständnis mit. Bekannte Stereotype und Vorurteile können hier aber schnell in die Irre führen. So ist zwar Italien einer der europäischen Staaten, in denen Korruption und Schattenwirtschaft am weitesten verbreitet sind. Jüngere politikwissenschaftliche Studien haben aber nachgewiesen, dass die Steuermoral von Italienern höher ist als die von Schweden – zumindest in Laborexperimenten.

Befragungen laufen im Herbst 2021 an

Die Wissenschaft weiß nicht sehr viel über den Zusammenhang zwischen Migration und Fiscal Citizenship. In den vergangenen Jahrzehnten hat es in Deutschland, Großbritannien und Kanada Zuwanderung aus unterschiedlichsten Ländern gegeben, in denen eine jeweils eigene Staats- und Steuerkultur herrscht. Wie werden die mitgebrachten Einstellungen gelebt, wie verändern sie sich im neuen Umfeld, wie beeinflussen sie das Selbstverständnis der Stammbevölkerung in der neuen Heimat?

Um das zu klären, laufen in dem Forschungsprojekt auch Befragungen und Laborexperimente. Wie das Design der Studien sein wird, steht bislang nicht fest. „Wir sind vorerst dabei, vorhandene Erkenntnisse zu sammeln und die geplanten Tiefeninterviews, Befragungen und Experimente zu strukturieren“, sagt Dirk Kiesewetter.

Offiziell beginnt das Projekt am 1. März 2021; die webbasierten Befragungen starten voraussichtlich im Herbst 2021. Erste Ergebnisse könnten im Winter 2023/24 vorliegen.

Kontakt

Prof. Dr. Dirk Kiesewetter, Lehrstuhl für BWL und Betriebliche Steuerlehre, Universität Würzburg, T +49 931 31-82962, dirk.kiesewetter@uni-wuerzburg.de

Weitere Informationen zum Projekt und den Beteiligten

Von Robert Emmerich

Zurück