Intern
Fakultät für Humanwissenschaften

Zum Tode von Herrn Prof. Dr. Hans-Peter Krüger

26.10.2012

Am Mittwoch verstarb nach langer, schwerer Krankheit der ehemalige Dekan (2007-2009) sowie Prodekan (2002 – 2004) der Philosophischen Fakultät II und Inhaber der Professur für Methodenlehre und Verkehrspsychologie am Institut für Psychologie, Prof. Dr. Hans-Peter Krüger. Mit Ablauf des Monats März 2012 ist er in Ruhestand getreten, war aber ab 01.04.2012 als Seniorprofessor weiter am Institut aktiv tätig.

Für  sein unermüdliches Engagement wie seine freundliche Art sind wir ihm sehr dankbar und werden ihm stets ein ehrendes Gedenken bewahren.

Das Leitungsteam der Philosophischen Fakultät II

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Nachruf der Deutschen Gesellschaft für Psychologie von
Prof. Dr. Mark Vollrath
Sprecher der Fachgruppe Verkehrspsychologie, Leiter des Lehrstuhls für
Ingenieur- und Verkehrspsychologie der TU Braunschweig:

"Am Mittwoch starb nach langer Krankheit Hans-Peter Krüger, langjähriger  
Inhaber der Professur für Methodenlehre und Verkehrspsychologie an der  
Universität Würzburg. Er hat wie kein anderer in Deutschland die  
Verkehrspsychologie seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts  
geprägt und weltweit sichtbar gemacht. Mit den Wurzeln in der Methodik  
und der Pharmakapsychologie interessierten ihn nach seiner Berufung an  
die Julius-Maximilians-Universität Würzburg zunächst nonverbale  
Aspekte des Sprechverhaltens. Er begründete die Methode der „Speech  
Chronemics“, mit der Aspekte des Zustands (z.B. Müdigkeit), kognitive  
Prozesse der Sprechplanung und das Sozialverhalten apparativ zu  
erfassen sind. Die Veränderung des Sprechverhaltens unter Alkohol war  
ein Ausgangspunkt, sich näher mit den Alkoholwirkungen im Verkehr zu  
beschäftigen. Eine Übersichtsarbeit für die Bundesanstalt für  
Straßenwesen über die Auswirkungen geringer Blutalkoholkonzentrationen  
war der Beginn seiner verkehrspsycholog!
ischen Forschungen. Diese waren geprägt von neuartigen methodischen  
Ansätzen und originellen, verblüffenden Ideen, die immer auch  
praktische Auswirkungen hatten.  Die Übersichtsarbeit bildete die  
wissenschaftliche Grundlage für die Einführung der 0.5-Promille-Grenze  
in Deutschland. Die deutsche Wiedervereinigung bot die Chance, mit dem  
Deutschen Roadside Survey Fahren unter Alkohol und das dadurch  
bedingte Unfallrisiko erstmalig umfassend in Deutschland zu  
untersuchen. Er konnte damit die berühmte Alkoholrisikokurve  
replizieren, aber auch eine Vielzahl neuer Erkenntnisse zur  
Alkoholwirkung und den Entscheidungsprozessen beim Fahren unter  
Alkohol gewinnen, die auch politisch berücksichtigt wurden und zum  
Beispiel zum Alkoholverbot für Fahranfänger führten. Diese  
Forschungsrichtung führte er bis in die letzten Jahre weiter, wobei  
zunächst verschiedene Drogen (Cannabis, Amphetamine), dann zunehmend  
Medikamente untersucht wurden. In dem europäischen Projekt DRUID, das  
2012 been!
det wurde, war er federführend für den Bereich der Methodik un!
d entwickelte mit einer interaktiven, computergestützten  
Befragungsstudie zum Fahren unter Drogen wieder eine neue, fruchtbare  
Methodik. Ende der 90er Jahre gelang es Hans-Peter Krüger, ein zweites  
großes Forschungsgebiet der Fahrerassistenz- und –informationssysteme  
zu erschließen. Durch die Beteiligung an mehreren großen deutschen  
Verbundforschungsprojekten konnte der erste universitäre Fahrsimulator  
mit Bewegungssimulation aufgebaut werden, der eine Vielzahl von  
Studien ermöglichte zum Beispiel zur Ablenkungswirkung von  
Informationssystemen, zur unfallvermeidenden Wirkung von Warnsystemen,  
oder zu negativen Wirkungen hoher Automatisierungsgrade im Fahrzeug.  
Diese wissenschaftliche Breite ermöglichte es ihm, eine Vielzahl  
unterschiedlicher Projekte sowohl aus öffentlichen Quellen als auch  
bei Industriepartnern zu gewinnen. Auch international war er gefragt,  
zum Beispiel als Mitglied bei der ICADTS (International Council on  
Alcohol, Drugs and Traffic Safety). Sein Mitarbeiterstab wuchs ständig  
und eine eigene Firma wurde für die Weiterentwicklung der  
Fahrsimulation und die Durchführung von Industrieprojekten!
 gegründet. Aber auch auf der wissenschaftlichen Seite war er äußerst  
produktiv mit einer Vielzahl von Veröffentlichungen. Nicht zuletzt mit  
der Herausgabe des Bandes „Verkehrspsychologie“ in der Enzyklopädie  
der Psychologie stärkte er die Stellung des Fachs auch in der  
Deutschen Gesellschaft der Psychologie. Auch in der Fachgruppe  
Verkehrspsychologie hat er immer wieder wichtige Impulse gegeben.  
Unterstützt wurde dies durch die aktive Mitarbeit einer Vielzahl  
seiner Doktoranden, die auf verschiedensten Konferenzen ihre  
Ergebnisse vorstellten und nach Abschluss ihrer Arbeit stets zwischen  
einer ganzen Reihe hochinteressanter Stellenangebote wählen konnten.

Anfang 2012 wurde Hans-Peter Krüger in den Ruhestand versetzt, ohne  
aber seine wissenschaftliche Tätigkeit zu beenden. Die Herausgabe des  
zweiten Bandes der Enzyklopädie der Psychologie zur  
Verkehrspsychologie, die Entwicklung einer Methodik zum Nachweis der  
Kontrollierbarkeit von Fahrerassistenzsystemen – bis zum Ende  
entwickelte er neue Ideen für aktuelle Projekte, die die Generation  
seiner Mitarbeiter und Kollegen sicherlich noch einige Jahre  
befruchten wird. Ich hatte das Glück, bereits vor dem Vordiplom als  
Hilfskraft bei Hans-Peter Krüger arbeiten zu können. Seine  
vielfältigen Ideen, die intensiven Diskussionen bis tief in die Nacht,  
das gemeinsame Auswerten komplexer Datensätze, die gleichzeitige  
Bearbeitung ganz unterschiedlicher verkehrspsychologischer Projekte  
und immer wieder unerwartete Ideen und Fragen waren so anregend, dass  
ich während der Diplomarbeit, Doktorarbeit und Habilitation bei ihm in  
Würzburg blieb. Ihm gelang es auch, nicht nur mich, sondern eine  
Vielzahl von Studierenden und Kollegen für die Verkehrspsychologie zu  
begeistern. Vielleicht könnte sein Vorbild auch eine Anregung sein,  
über die Denomination neu auszuschreibender Professuren nachzudenken –  
eine Verkehrspsychologie mit experimenteller, allgemeinpsychologischer  
Basis würde sicherlich sowohl Studenten finden als auch wichtige  
wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse liefern.

Hans-Peter Krüger war bei seinen Mitarbeitern nicht nur verehrt,  
sondern auch „gefürchtet“ – keine Doktorarbeit, die nicht mindestens  
zwei Überarbeitungen hinter sich hatte; kein Projektbericht, der nicht  
revidiert werden musste. Aber hinterher stellte man meist fest, dass  
nicht nur die Arbeit, sondern auch man selbst davon profitiert hatte.  
Dies galt auch für seine Vorlesungen und Seminare: diese endeten stets  
in intensiven, fordernden und ungemein erhellenden Diskussionen. Auch  
in den Projekten galt: Kein Treffen, bei dem man nicht seine  
Ergebnisse und Interpretationen in Frage stellen, begründen und  
überdenken musste. Diese Diskussionen bei einer Flasche Rotwein am  
Abend fortzuführen – schade, dass es dazu keine Gelegenheit mehr geben  
wird.

Wir trauern um Hans-Peter Krüger."

 

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