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Fakultät für Humanwissenschaften

„Der reinste Ausnahmezustand“

23.03.2021

In Zeiten der Corona-Pandemie verlaufen die Vorbereitung auf das Examen und die Abschlussfeier anders als in den Jahren zuvor. Diese Erfahrung mussten auch angehende Lehrkräfte machen.

Anna-Katharina Göbel, Mirja Betzer und Katharina Schöler (v.l.) haben es trotz schwieriger Umstände geschafft, ihr Lehramtsstudium mit hervorragendem Ergebnis abzuschließen.
Anna-Katharina Göbel, Mirja Betzer und Katharina Schöler (v.l.) haben es trotz schwieriger Umstände geschafft, ihr Lehramtsstudium mit hervorragendem Ergebnis abzuschließen. (Bild: PSE)

Es erfordert schon zu ganz normalen Zeiten die Konzentration aller Kräfte, um am Ende der Lehramtsausbildung ein gutes Examen zu schaffen. Doch jetzt, während der Pandemie, ist alles noch viel anstrengender. „Die Wochen vor den Examensprüfungen waren wirklich herausfordernd“, meint Jessica Ulrich. Trotz der enorm erschwerten Bedingungen schloss die 28-Jährige ihr Studium an der Uni Würzburg im Wintersemester als beste Absolventin unter allen angehenden Mittelschullehrkräften ab.

Ständige Angst vor einer Infektion

Spaziergänge, Jogging oder Kochen – das, allerdings nicht sehr viel mehr, blieb in der anstrengenden Zeit der Examensvorbereitung als Ausgleich übrig. Sportstätten haben bis heute zu. Kneipen und Cafés sind geschlossen. Besonders schwierig war für viele Examenskandidatinnen und -kandidaten, dass sie sich nicht zu Lerngruppen treffen konnten. Außerdem saß permanent die Angst vor einer Infektion im Nacken, denn die hätte das Aus für die Prüfungsteilnahme bedeutet. „Man war in ständiger Sorge, sich anzustecken“, bestätigt Jessica Ulrich, die aktuell an einer Stadtteilschule in Hamburg Religion-Ethik und Sport sowie, als Assistenzlehrkraft, Englisch und Deutsch unterrichtet.

Als Mittelschullehrerin hat Jessica Ulrich die Lebenswelt ihrer Schülerinnen und Schüler im Blick. Und die, sagt sie, ist in den aktuellen Zeiten alles andere als einfach: „Durch die Pandemie gestaltet es sich noch mal viel schwieriger, problematische sozioökonomische Bedingungen aus dem Umfeld der Kinder und Jugendlichen auszugleichen.“ Doch eben dies ist Jessica Ulrich ein großes Anliegen. Die gebürtige Hamburgerin sieht es neben dem Unterrichten als eine ihrer Hauptaufgaben an, junge Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten.

Freiwillige Quarantäne vor den Prüfungen

Ihr großes Interesse an Sprachen brachte Verena Mösle dazu, Lehramt auf Gymnasium mit den Fächern Französisch und Spanisch zu studieren. Zusammen mit ihrer Kommilitonin Carolin Jeßberger schnitt die gebürtige Allgäuerin im Wintersemester als Prüfungsbeste aller angehenden Gymnasiallehrkräfte ab. „Auch bei mir verlief die letzte Phase des Studiums pandemiebedingt ganz anders als erwartet“, sagt die 24-Jährige, die vor Kurzem ihr Referendariat am Gymnasium Olching begonnen hat. Sehr froh war Mösle darüber, dass sich Dozentinnen und Dozenten große Mühe gegeben hatten, auch online alle relevanten Inhalte zu vermitteln: „Das ist ihnen meiner Meinung nach auch wirklich gut gelungen.“

Um das Risiko zu minimieren, sich mit dem Corona-Virus anzustecken, begab sich Carolin Jeßberger zwei Wochen vor den Prüfungen vorsorglich in selbstgewählte Quarantäne. Insgesamt waren das letztes Semester und die Vorbereitungen auf das Examen „sehr nervenaufreibend“ für die 26-Jährige aus dem Landkreis Main-Spessart gewesen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil der Besuch der Universitätsbibliothek plötzlich unmöglich war. „Umso dankbarer bin ich für die unglaubliche Arbeit und Mühe der Dozentinnen und Dozenten in meinen Fächern Latein und Französisch“, sagt sie. Diese hatten vor dem Examen viele Übungsmöglichkeiten angeboten.

Kleine Aufmerksamkeiten per Post

Wer so viel Zeit und Kraft in ein Studium hineinsteckt wie Carolin Jeßberger und ihre Mitstudierenden, der möchte das Ende der Studienzeit gern gebührend feiern. In den vergangenen Jahren sorgte die Professional School of Education (PSE) der Universität für einen würdigen Ausklang des Lehramtsstudiums. Bei der von der PSE ausgerichteten Akademischen Abschlussfeier in der Neubaukirche werden auch die Prüfungsbesten öffentlich geehrt. Pandemiebedingt musste die Feier zum zweiten Mal ausfallen. „Ich bedauere es sehr, dass man diesen wichtigen Lebensabschnitt, den das Examen darstellt, nicht mit seinen Kommilitoninnen und Kommilitonen privat und offiziell abschließen kann“, gibt Jeßberger zu.

Auch die PSE hätte gerne mit allen angehenden Lehrkräften den Studienabschluss gefeiert. „Dass unsere Abschlussfeier nicht stattfinden kann, finden wir alle sehr schade. Gerade ein unter solchen erschwerten Bedingungen bestandenes Staatsexamen verdient eigentlich eine große Feier“, so Professor Thomas Trefzger, Direktor der PSE. Als kleinen Trost und Ersatz für die ausgefallene Feier erhalten alle ehemaligen Studierenden eine Karte und eine kleine Aufmerksamkeit mit der Post. Denn: „Es ist uns ein Anliegen zumindest auf diesem Weg die vollbrachte Leistung zu würdigen und für die weitere Ausbildung zur Lehrkraft alles Gute, viel Energie und Freude an der Arbeit zu wünschen“, so Trefzger weiter. 

Videokonferenzen statt Lerngruppentreffs

Auch Anna-Katharina Göbel wäre normalerweise in der Neubaukirche öffentlich geehrt worden: Die 22-Jährige, die ursprünglich aus der Nähe von Bayreuth stammt, schloss ihr Studium für das Grundschullehramt als Prüfungsbeste ab. „Auch ich hatte mir die letzte Phase des Studiums ganz anders vorgestellt“, gibt sie zu: „Wir wollten in Lerngruppen in die Bib gehen, Aufgaben gemeinsam bearbeiten und die letzten Examensvorbereitungskurse belegen.“ Doch all das war so, wie geplant, nicht möglich: „Wir mussten uns über Videokonferenzen absprechen.“

Gemeinsam in der Gruppe zu arbeiten, hätte Anna-Katharina Göbel viel mehr Spaß gemacht. „Unglaublich schade für uns alle war aber natürlich auch, dass man das Prüfungsende nicht zusammen feiern konnte“, meint die junge Frau, die derzeit im Masterstudiengang „Diversitätsmanagement, Religion und Bildung“ eingeschrieben ist. Außerdem absolviert Göbel gerade ein Praktikum im Zusammenhang mit ihrem Erweiterungsfach „Deutsch als Zweitsprache“.

Master und Promotion statt Referendariat

Meist macht der Abschluss des Lehramtsstudiums einen Ortswechsel nötig: Die Referendarinnen und Referendare werden irgendwo in Bayern eingesetzt. In Würzburg bleiben nur jene, die hier einen Platz ergattert haben, oder die, wie Anna-Katharina Göbel, weiterstudieren oder promovieren. Auch Katharina Schöler, Prüfungsbeste unter allen angehenden Sonderpädagoginnen und -pädagogen, entschloss sich, weiter auf die Uni zu gehen. „Ich werde im kommenden Sommersemester den Master of Arts im Fach Sonderpädagogik abschließen“, erzählt die 24-Jährige, die aus dem Kreis Bad Kissingen stammt.

Katharina Schöler hatte nach dem Abi ziemlich fest umrissene Vorstellungen, was sie einmal werden möchte: Die Sonderpädagogik interessierte sie brennend. Dennoch absolvierte sie verschiedene Praktika, um herauszufinden, was ihr wirklich liegt: „In Förderschulen, im Krankenhaus und weiteren Einrichtungen.“ Überall sei es darum gegangen, Menschen zu unterstützen, die es sehr schwer haben oder die benachteiligt sind. „In der Sonderpädagogik hatte ich mich am besten aufgehoben gefühlt, denn dort wird eine Person so individuell und intensiv wie möglich gefördert“, erklärt sie. Dieser Grundgedanke, immer die Einzelperson wahrzunehmen, fasziniert Schöler bis heute.

Den Traum verwirklicht

Es war auch für sie schwierig, unter Pandemiebedingungen für das Examen zu pauken, meint Mirja Betzer, beste Absolventin unter allen angehenden Realschullehrkräften: „Die letzte Phase des Studiums war ein reiner Ausnahmezustand.“ Doch nun hat sie es geschafft und sich einen Traum erfüllt: „Ich wollte früh schon Realschullehrerin werden.“ Als Fächer wählte sie Musik und Religion. „Musik war schon immer meine große Leidenschaft“, so die 25-jährige Chorleiterin, die aus Münnerstadt stammt. Religion gehörte stets zu ihren Lieblingsfächern.

Schule zielt darauf ab, junge Menschen zur Eigenverantwortung erziehen. Der Religionsunterricht geht für Mirja Betzer darüber noch hinaus. „Sowohl Musik als auch Religion sind als Fächer so wichtig, weil sie die Chance in sich bergen, Schülerinnen und Schülern einen Zugang zu sich selbst und der Welt zu eröffnen.“ Religionsunterricht sei heute ja keine „Religionslehre“ mehr: Der Fokus verschob sich hin zu einer Wertevermittlung, die religionsübergreifend ein friedliches, rücksichtsvolles Miteinander und ein ökonomisch nachhaltiges Leben thematisieren soll.“

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